Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, (es folgen die Namen
der weiteren Staatsoberhäupter)
in der Erwägung, daß bei allem Bemühen, Mittel zu suchen, um den Frieden zu
sichern und bewaffnete Streitigkeiten zwischen den Völkern zu verhüten, es doch
von Wichtigkeit ist, auch den Fall ins Auge zu fassen, wo ein Ruf zu den Waffen
durch Ereignisse herbeigeführt wird, die ihre Fürsorge nicht hat abwenden
können, von dem Wunsche beseelt, selbst in diesem äußersten Falle den Interessen
der Menschlichkeit und den sich immer steigernden Forderungen der Zivilisation
zu dienen, in der Meinung, daß es zu diesem Zwecke von Bedeutung ist, die
allgemeinen Gesetze und Gebräuche des Krieges einer Durchsicht zu unterziehen,
sei es, um sie näher zu bestimmen, sei es, um ihnen gewisse Grenzen zu ziehen,
damit sie soviel wie möglich von ihrer Schärfe verlieren, haben eine
Vervollständigung und in gewissen Punkten eine bestimmtere Fassung des Werkes
der Ersten Friedenskonferenz für nötig befunden, die im Anschluß an die
Brüsseler Konferenz von 1874, ausgehend von den durch eine weise und hochherzige
Fürsorge eingegebenen Gedanken, Bestimmungen zur Feststellung und Regelung der
Gebräuche des Landkriegs angenommen hat.
Nach der Auffassung der hohen vertragschließenden Teile sollen diese
Bestimmungen, deren Abfassung durch den Wunsch angeregt wurde, die Leiden des
Krieges zu mildern, soweit es die militärischen Interessen gestatten, den
Kriegführenden als allgemeine Richtschnur für ihr Verhalten in den Beziehungen
untereinander und mit der Bevölkerung dienen. Es war indessen nicht möglich,
sich schon jetzt über Bestimmungen zu einigen, die sich auf alle in der Praxis
vorkommenden Fälle erstrecken. Andererseits konnte es nicht in der Absicht der
hohen vertragschließenden Teile liegen, daß die nicht vorgesehenen Fälle in
Ermangelung einer schriftlichen Abrede der willkürlichen Beurteilung der
militärischen Befehlshaber überlassen bleiben. Solange, bis ein vollständigeres
Kriegsgesetzbuch festgestellt werden kann, halten es die hohen
vertragschließenden Teile für zweckmäßig, festzusetzen, daß in den Fällen, die
in den Bestimmungen der von ihnen angenommenen Ordnung nicht einbegriffen sind,
die Bevölkerung und die Kriegführenden unter dem Schutze und der Herrschaft der
Grundsätze des Völkerrechts bleiben, wie sie sich ergeben aus den unter
gesitteten Völkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit
und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens. Sie erklären, daß namentlich
die Artikel 1 und 2 der angenommenen Ordnung in diesem Sinne zu verstehen sind.
Die hohen vertragschließenden Teile, die hierüber ein neues Abkommen
abzuschließen wünschen, haben zu Ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der einzelnen Bevollmächtigten)
....
welche, nachdem sie ihre Vollmachten hinterlegt und diese in guter und gehöriger
Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:
Art. 1 [Beachtung der Haager Landkriegsordnung].
Die Vertragsmächte werden ihren Landheeren Verhaltungsmaßregeln geben,
welche der dem vorliegenden Abkommen beigefügten Ordnung der Gesetze und
Gebräuche des Landkriegs entsprechen.
Art. 2 [Anwendung nur unter Vertragsparteien].
Die Bestimmungen der im Artikel 1 angeführten Ordnung sowie des vorliegenden
Abkommens finden nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn
die Kriegführenden sämtlich Vertragsparteien sind.
Art. 3 [Verantwortlichkeit der Kriegspartei].
Die Kriegspartei, welche die Bestimmungen der bezeichneten Ordnung verletzen
sollte, ist gegebenen Falles zum Schadensersatze verpflichtet. Sie ist für alle
Handlungen verantwortlich, die von den zu ihrer bewaffneten Macht gehörenden
Personen begangen werden.
Art. 4 [Ersetzung des früheren Abkommens].
Dieses Abkommen tritt nach seiner Ratifikation für die Beziehungen zwischen
den Vertragsmächten an die Stelle des Abkommens vom 29. Juli 1899, betreffend
die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs. Das Abkommen von 1899 bleibt in Kraft
für die Beziehungen zwischen den Mächten, die es unterzeichnet haben, die aber
das vorliegende Abkommen nicht gleichermaßen ratifizieren sollten.
Art. 5 [Ratifikation; Hinterlegung der Urkunden].
Dieses Abkommen soll möglichst bald ratifiziert werden. Die
Ratifikationsurkunden sollen im Haag hinterlegt werden. Die erste Hinterlegung
von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll festgestellt, das von den
Vertretern der daran teilnehmenden Mächte und von dem Niederländischen Minister
der auswärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wird. Die späteren Hinterlegungen
von Ratifikationsurkunden erfolgen mittels einer schriftlichen, an die Regierung
der Niederlande gerichteten Anzeige, der die Ratifikationsurkunde beizufügen
ist. Beglaubigte Abschrift des Protokolls über die erste Hinterlegung von
Ratifikationsurkunden, der im vorstehenden Absatz erwähnten Anzeigen sowie der
Ratifikationsurkunden wird durch die Regierung der Niederlande den zur Zweiten
Friedenskonferenz eingeladenen Mächten sowie den anderen Mächten, die dem
Abkommen beigetreten sind, auf diplomatischem Wege mitgeteilt werden. In den
Fällen des vorstehenden Absatzes wird die bezeichnete Regierung ihnen zugleich
bekanntgeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art. 6 [Beitritt anderer Mächte].
Die Mächte, die nicht unterzeichnet haben, können diesem Abkommen später
beitreten. Die Macht, die beizutreten wünscht, hat ihre Absicht der Regierung
der Niederlande schriftlich anzuzeigen und ihr dabei die Beitrittsurkunde zu
übersenden, die im Archive der bezeichneten Regierung hinterlegt werden wird.
Diese Regierung wird unverzüglich allen anderen Mächten beglaubigte Abschrift
der Anzeige wie der Beitrittsurkunde übersenden und zugleich angeben, an welchem
Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art. 7 [Inkrafttreten].
Dieses Abkommen wird wirksam für die Mächte, die an der ersten Hinterlegung
von Ratifikationsurkunden teilgenommen haben, sechzig Tage nach dem Tage, an dem
das Protokoll über diese Hinterlegung aufgenommen ist, und für die später
ratifizierenden oder beitretenden Mächte sechzig Tage, nachdem die Regierung der
Niederlande die Anzeige von ihrer Ratifikation oder von ihrem Beitritt erhalten
hat.
Art. 8 [Kündigung].
Sollte eine der Vertragsmächte dieses Abkommen kündigen wollen, so soll die
Kündigung schriftlich der Regierung der Niederlande erklärt werden, die
unverzüglich beglaubigte Abschrift der Erklärung allen anderen Mächten mitteilt
und ihnen zugleich bekannt gibt, an welchem Tage sie die Erklärung erhalten hat.
Die Kündigung soll nur in Ansehung der Macht wirksam sein, die sie erklärt hat,
und erst ein Jahr, nachdem die Erklärung bei der Regierung der Niederlande
eingegangen ist.
Art. 9 [Register über Vertragsmächte].
Ein im Niederländischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten
geführtes Register soll den Tag der gemäß Artikel 5 Abs. 3, 4 erfolgten
Hinterlegung von Ratifikationsurkunden angeben sowie den Tag, an dem die
Anzeigen von dem Beitritt (Artikel 6 Abs. 2) oder von der Kündigung (Artikel 8
Abs. 1) eingegangen sind. Jede Vertragsmacht hat das Recht, von diesem Register
Kenntnis zu nehmen und beglaubigte Auszüge daraus zu verlangen. Zu Urkund dessen
haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen mit ihren Unterschriften versehen.
Geschehen im Haag am achtzehnten Oktober neunzehnhundertsieben in einer einzigen
Ausfertigung. die im Archive der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben
soll und wovon beglaubigte Abschriften den zu der Zweiten Friedenskonferenz
eingeladenen Mächten auf diplomatischem Wege übergeben werden sollen. (Es folgen
die Unterschriften der Bevollmächtigten)
1. Für das Deutsche Reich in Kraft getreten am 26.01.1910 (Bek. v.
25.01.1910, RGBl. II S. 375). Stand der Vertragsparteien und ihrer Vorbehalte:
Siehe Fundstellennachweis B zum BGBl., abgeschlossen am 31.12. jedes Jahres.
2. Intern. Quelle: Martens, NRG (3e série), Bd. 3. S. 461.
Für das Dt. Reich in Kraft getr. am 26.01.1910 (Bek. v. 25.01.1910, RGBl. II S.
375).
>
Anlage zum Abkommen Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (Haager Landkriegsordnung)
Inhaltsübersicht
Erster Abschnitt. Kriegführende Art. 1 - 21
Zweiter Abschnitt. Feindseligkeiten Art. 22 - 41
Dritter Abschnitt Militärische Gewalt auf besetztem feindlichem Gebiete Art. 42-56
>
Art. 1 [Begriff des "Heeres"]
Die Gesetze, die Rechte und die Pflichten des Krieges gelten nicht nur für
das Heer, sondern auch für die Milizen und Freiwilligen-Korps, wenn sie folgende
Bedingungen in sich vereinigen:
1. daß jemand an ihrer Spitze steht, der für seine Untergebenen verantwortlich
ist,
2. daß sie ein bestimmtes aus der Ferne erkennbares Abzeichen tragen,
3. daß sie die Waffen offen führen und
4. daß sie bei ihren Unternehmungen die Gesetze und Gebräuche des Krieges
beobachten.
In den Ländern, in denen Milizen oder Freiwilligen-Korps das Heer oder einen
Bestandteil des Heeres bilden, sind diese unter der Bezeichnung "Heer"
einbegriffen.
Art. 2 [Kämpfende Bevölkerung]
Die Bevölkerung eines nicht besetzten Gebiets, die beim Herannahen des
Feindes aus eigenem Antriebe zu den Waffen greift, um die eindringenden Truppen
zu bekämpfen, ohne Zeit gehabt zu haben, sich nach Artikel 1 zu organisieren,
wird als kriegführend betrachtet, wenn sie die Waffen offen führt und die
Gesetze und Gebräuche des Krieges beobachtet.
Art. 3 [Kombattanten und
Nichtkombattanten]
Die bewaffnete Macht der Kriegsparteien kann sich zusammensetzen aus
Kombattanten und Nichtkombattanten. Im Falle der Gefangennahme durch den Feind
haben die einen wie die anderen Anspruch auf Behandlung als Kriegsgefangene.
>
Art. 4 [Gewalthaber]
Die Kriegsgefangenen unterstehen der Gewalt der feindlichen Regierung, aber
nicht der Gewalt der Personen oder der Abteilungen, die sie gefangen genommen
haben. Sie sollen mit Menschlichkeit behandelt werden. Alles, was ihnen
persönlich gehört, verbleibt ihr Eigentum mit Ausnahme von Waffen, Pferden und
Schriftstücken militärischen Inhalts.
Art. 5 [Unterbringung]
Die Kriegsgefangenen können in Städten, Festungen, Lagern oder an anderen
Orten untergebracht werden mit der Verpflichtung, sich nicht über eine bestimmte
Grenze hinaus zu entfernen; dagegen ist ihre Einschließung nur statthaft als
unerläßliche Sicherungsmaßregel und nur während der Dauer der diese Maßregel
notwendig machenden Umstände.
Art. 6 [Arbeitspflicht]
Der Staat ist befugt, die Kriegsgefangenen mit Ausnahme der Offiziere nach
ihrem Dienstgrad und nach ihren Fähigkeiten als Arbeiter zu verwenden. Diese
Arbeiten dürfen nicht übermäßig sein und in keiner Beziehung zu den
Kriegsunternehmungen stehen. Den Kriegsgefangenen kann gestattet werden,
Arbeiten für öffentliche Verwaltungen oder für Privatpersonen oder für ihre
eigene Rechnung auszuführen. Arbeiten für den Staat werden nach den Sätzen
bezahlt, die für Militärpersonen des eigenen Heeres bei Ausführung der gleichen
Arbeiten gelten, oder, falls solche Sätze nicht bestehen, nach einem Sätze, wie
er den geleisteten Arbeiten entspricht. Werden die Arbeiten für Rechnung anderer
öffentlicher Verwaltungen oder für Privatpersonen ausgeführt, so werden die
Bedingungen im Einverständnisse mit der Militärbehörde festgestellt. Der
Verdienst der Kriegsgefangenen soll zur Besserung ihrer Lage verwendet und der
Überschuß nach Abzug der Unterhaltungskosten ihnen bei der Freilassung
ausgezahlt werden.
Art. 7 [Unterhaltspflicht]
Die Regierung, in deren Gewalt sich die Kriegsgefangenen befinden, hat für
ihren Unterhalt zu sorgen. In Ermangelung einer besonderen Verständigung
zwischen den Kriegführenden sind die Kriegsgefangenen in Beziehung auf Nahrung,
Unterkunft und Kleidung auf demselben Fuße zu behandeln wie die Truppen der
Regierung, die sie gefangen genommen hat.
Art. 8 [Geltendes Recht; Entweichen aus Gefangenschaft]
Die Kriegsgefangenen unterstehen den Gesetzen, Vorschriften und Befehlen,
die in dem Heere des Staates gelten, in dessen Gewalt sie sich befinden. Jede
Unbotmäßigkeit kann mit der erforderlichen Strenge geahndet werden. Entwichene
Kriegsgefangene, die wieder ergriffen werden, bevor es ihnen gelungen ist ihr
Heer zu erreichen, oder bevor sie das Gebiet verlassen haben, das von den
Truppen, welche sie gelangen genommen hatte, besetzt ist, unterliegen
disziplinarischer Bestrafung. Kriegsgefangene, die nach gelungener Flucht von
neuem gefangen genommen werden, können für die frühere Flucht nicht bestraft
werden.
Art. 9 [Namens- und Dienstgradangabe]
Jeder Kriegsgefangene ist verpflichtet, auf Befragen seinen wahren Namen und
Dienstgrad anzugeben, handelt er gegen diese Vorschrift, so können ihm die
Vergünstigungen, die den Kriegsgefangenen seiner Klasse zustehen, entzogen
werden.
Art. 10 [Freilassung gegen Ehrenwort]
Kriegsgefangene können gegen Ehrenwort freigelassen werden, wenn die Gesetze
ihres Landes sie dazu ermächtigen; sie sind alsdann bei ihrer persönlichen Ehre
verbunden, die übernommenen Verpflichtungen sowohl ihrer eigenen Regierung als
auch dem Staate gegenüber, der sie zu Kriegsgefangenen gemacht hat, gewissenhaft
zu erfüllen. Ihre Regierung ist in solchem Falle verpflichtet, keinerlei Dienste
zu verlangen oder anzunehmen, die dem gegebenen Ehrenworte widersprechen.
Art. 11.
Ein Kriegsgefangener kann nicht gezwungen werden, seine Freilassung gegen
Ehrenwort anzunehmen; ebensowenig ist die feindliche Regierung verpflichtet, dem
Antrag eines Kriegsgefangenen auf Entlassung gegen Ehrenwort zu entsprechen.
Art. 12.
Jeder gegen Ehrenwort entlassene Kriegsgefangene, der gegen den Staat, dem
gegenüber er die Ehrenverpflichtung eingegangen ist, oder gegen dessen
Verbündete die Waffen trägt und wieder ergriffen wird, verliert das Recht der
Behandlung als Kriegsgefangener und kann vor Gericht gestellt werden.
Art. 13 [Heeresgefolge].
Personen, die einem Heere folgen, ohne ihm unmittelbar anzugehören, wie
Kriegskorrespondenten, Zeitungsberichterstatter, Marketender und Lieferanten,
haben, wenn sie in die Hand des Feindes geraten und diesem ihre Festhaltung
zweckmäßig erscheint, das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene,
vorausgesetzt, daß sie sich im Besitz eines Ausweises der Militärbehörde des
Heeres befinden, das sie begleiteten.
Art. 14 [Auskunftsstelle über die Kriegsgefangenen].
Beim Ausbruche der Feindseligkeiten wird in jedem der kriegführenden Staaten
und eintretenden Falles in den neutralen Staaten, die Angehörige eines der
Kriegführenden in ihr Gebiet aufgenommen haben, eine Auskunftsstelle über die
Kriegsgefangenen errichtet. Diese ist berufen, alle die Kriegsgefangenen
betreffenden Anfragen zu beantworten, und erhält von den zuständigen
Dienststellen alle Angaben über die Unterbringung und deren Wechsel, über
Freilassungen gegen Ehrenwort, über Austausch, über Entweichungen, über Aufnahme
in die Hospitäler und über Sterbefälle sowie sonstige Auskünfte, die nötig sind,
um über jeden Kriegsgefangenen ein Personalblatt anzulegen und auf dem laufenden
zu erhalten. Die Auskunftsstelle verzeichnet auf diesem Personalblatte die
Matrikelnummer, den Vor- und Zunamen, das Alter, den Heimatort, den Dienstgrad,
den Truppenteil, die Verwundungen, den Tag und Ort der Gefangennahme, der
Unterbringung, der Verwundungen und des Todes sowie alle besonderen Bemerkungen.
Das Personalblatt wird nach dem Friedensschlusse der Regierung des anderen
Kriegführenden übermittelt. Die Auskunftsstelle sammelt ferner alle zum
persönlichen Gebrauche dienenden Gegenstände, Wertsachen, Briefe usw., die auf
den Schlachtfeldern gefunden oder von den gegen Ehrenwort entlassenen,
ausgetauschten, entwichenen oder in Hospitälern oder Feldlazaretten gestorbenen
Kriegsgefangenen hinterlassen werden, und stellt sie den Berechtigten zu.
Art. 15 (Hilfsgesellschaften für Kriegsgefangene].
Die Hilfsgesellschaften für Kriegsgefangene, die ordnungsmäßig nach den Gesetzen
ihres Landes gebildet worden sind und den Zweck verfolgen, die Vermittler der
mildtätigen Nächstenhilfe zu sein, erhalten von den Kriegführenden für sich und
ihre ordnungsmäßig beglaubigten Agenten jede Erleichterung innerhalb der durch
die militärischen Erfordernisse und die Verwaltungsvorschriften gezogenen
Grenzen, um ihre menschenfreundlichen Bestrebungen wirksam ausführen zu können.
Den Delegierten dieser Gesellschaften kann auf Grund einer ihnen persönlich von
der Militärbehörde erteilten Erlaubnis und gegen die schriftliche Verpflichtung,
sich allen von dieser etwa erlassenen Ordnungs- und Polizeivorschriften zu
fügen, gestattet werden, Beihilfen an den Unterbringungsstellen sowie an den
Rastorten der in die Heimat zurückkehrenden Gefangenen zu verteilen.
Art. 16 [Portofreiheit von Postsendungen].
Die Auskunftstellen genießen Portofreiheit. Briefe, Postanweisungen,
Geldsendungen und Postpakete, die für die Kriegsgefangenen bestimmt sind oder
von ihnen abgesandt werden, sind sowohl im Lande der Aufgabe, als auch im
Bestimmungsland und in den Zwischenländern von allen Postgebühren befreit. Die
als Liebesgaben und Beihilfen für Kriegsgefangene bestimmten Gegenstände sind
von allen Eingangszöllen und anderen Gebühren sowie von den Frachtkosten auf
Staatseisenbahnen befreit
Art. 17 [Besoldung der Offiziere].
Die gefangenen Offiziere erhalten dieselbe Besoldung, wie sie den Offizieren
gleichen Dienstgrads in dem Lande zusteht, wo sie gefangen gehalten werden; ihre
Regierung ist zur Erstattung verpflichtet.
Art. 18 [Religionsausübung].
Den Kriegsgefangenen wird in der Ausübung ihrer Religion mit Einschluß der
Teilnahme am Gottesdienste volle Freiheit gelassen unter der einzigen Bedingung,
daß sie sich den Ordnungs- und Polizeivorschriften der Militärbehörde fügen.
Art. 19 [Testamente; Sterbeurkunden; Beerdigung].
Die Testamente der Kriegsgefangenen werden unter denselben Bedingungen
entgegengenommen oder errichtet wie die der Militärpersonen des eigenen Heeres.
Das gleiche gilt für die Sterbeurkunden sowie für die Beerdigung von
Kriegsgefangenen, wobei deren Dienstgrad und Rang zu berücksichtigen ist.
Art. 20 [Entlassung nach Friedensschluß].
Nach dem Friedensschlusse sollen die Kriegsgefangenen binnen kürzester Frist
in ihre Heimat entlassen werden, Drittes Kapitel. Kranke und Verwundete
Art. 21.
Die Pflichten der Kriegführenden in Ansehung der Behandlung von Kranken und
Verwundeten bestimmen sich nach dem Genfer Abkommen.
>
Art. 22
[Mittel zur Schädigung des Feindes] Die Kriegführenden haben kein
unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.
Art. 23 [Verbote]
Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten, ist
namentlich untersagt:
die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen,
die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres
die Tötung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen Feindes, der sich auf Gnade oder Ungnade ergeben hat,
die Erklärung, daß kein Pardon gegeben wird
der Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötig Leiden zu verursachen,
der Mißbrauch der Parlamentärflagge, der Nationalflagge oder der militärischen Abzeichen oder der Uniform des Feindes sowie der besonderen Abzeichen des Genfer Abkommens,
die Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums außer in den Fällen, wo diese Zerstörung oder Wegnahme durch die Erfordernisse des Krieges dringend erheischt wird,
die Aufhebung oder zeitweilige Außerkraftsetzung der Rechte und Forderungen von Angehörigen der Gegenpartei oder die Ausschließung ihrer Klagbarkeit,
Den Kriegführenden ist ebenfalls untersagt, Angehörige der Gegenpartei zur Teilnahme an den Kriegsunternehmungen gegen ihr Land zu zwingen; dies gilt auch für den Fall, daß sie vor Ausbruch des Krieges angeworben waren.
Art. 24 [Kriegslisten; Nachrichtenverschaffung]
Kriegslisten und die Anwendung der notwendigen Mittel, um sich Nachrichten
über den Gegner und das Gelände zu verschaffen, sind erlaubt.
Art. 25 [Unverteidigte Stätten]
Es ist untersagt, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude,
mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschießen.
Art. 26 [Warnung vor Beschießungen]
Der Befehlshaber einer angreifenden Truppe soll vor Beginn der Beschießung,
den Fall eines Sturmangriffes ausgenommen, alles, was an ihm liegt, tun, um die
Behörden davon zu benachrichtigen.
Art. 27 [Belagerungen und Beschießungen]
Bei Belagerungen und Beschießungen sollen alle erforderlichen Vorkehrungen
getroffen werden, um die dem Gottesdienste, der Kunst, der Wissenschaft und der
Wohltätigkeit gewidmeten Gebäude, die geschichtlichen Denkmäler, die Hospitäler
und Sammelplätze für Kranke und Verwundete soviel wie möglich zu schonen,
vorausgesetzt, daß sie nicht gleichzeitig zu einem militärischen Zwecke
Verwendung finden. Pflicht der Belagerten ist es, diese Gebäude oder
Sammelplätze mit deutlichen besonderen Zeichen zu versehen und diese dem
Belagerer vorher bekanntzugeben.
Art. 28 [Plünderungsverbot]
Es ist untersagt, Städte oder Ansiedlungen, selbst wenn sie im Sturme
genommen sind, der Plünderung preiszugeben.
>
>
Art. 29 [Begriff des Spions]
Als Spion gilt nur, wer heimlich oder unter falschem Vorwand in dem
Operationsgebiet eines Kriegführenden Nachrichten einzieht oder einzuziehen
sucht in der Absicht, sie der Gegenpartei mitzuteilen. Demgemäß sind
Militärpersonen in Uniform, die in das Operationsgebiet des feindlichen Heeres
eingedrungen sind, um sich Nachrichten zu verschaffen, nicht als Spione zu
betrachten. Desgleichen gelten nicht als Spione: Militärpersonen und
Nichtmilitärpersonen, die den ihnen erteilten Auftrag, Mitteilungen an ihr
eigenes oder an das feindliche Heer zu überbringen, offen ausführen. Dahin
gehören ebenfalls Personen, die in Luftschiffen befördert werden, um
Mitteilungen zu überbringen oder um überhaupt Verbindungen zwischen den
verschiedenen Teilen eines Heeres oder eines Gebiets aufrechtzuerhalten.
Art. 30 [Bestrafung nur nach Urteil]
Der auf der Tat ertappte Spion kann nicht ohne vorausgegangenes Urteil
bestraft werden.
Art. 31 [Früherer Spion in Kriegsgefangenschaft]
Ein Spion, welcher zu dem Heere, dem er angehört, zurückgekehrt ist und
später vorn Feinde gefangengenommen wird, ist als Kriegsgefangener zu behandeln
und kann für früher begangene Spionage nicht verantwortlich gemacht werden.
>
Art. 32 [Begriff und Stellung des Parlamentärs]
Als Parlamentär gilt, wer von einem der Kriegführenden bevollmächtigt ist,
mit dem anderen in Unterhandlungen zu treten, und sich mit der weißen Fahne
zeigt. Er hat Anspruch auf Unverletzlichkeit, ebenso der ihn begleitende
Trompeter, Hornist oder Trommler, Fahnenträger und Dolmetscher.
Art. 33 [Empfang und Maßnahmen des Gegners]
Der Befehlshaber, zu dem ein Parlamentär gesandt wird, ist nicht
verpflichtet, ihn unter allen Umständen zu empfangen. Er kann alle
erforderlichen Maßregeln ergreifen, um den Parlamentär zu verhindern, seine
Sendung zur Einziehung von Nachrichten zu benutzen. Er ist berechtigt, bei
vorkommendem Mißbrauche den Parlamentär zeitweilig zurückzuhalten.
Art. 34 [Verrat des Parlamentärs]
Der Parlamentär verliert seinen Anspruch auf Unverletzlichkeit, wenn der
bestimmte, unwiderlegbare Beweis vorliegt, daß er seine bevorrechtigte Stellung
dazu benutzt hat, um Verrat zu üben oder dazu anzustiften.
>
Art. 35.
Die zwischen den abschließenden Parteien vereinbarten Kapitulationen sollen
den Forderungen der militärischen Ehre Rechnung tragen. Einmal abgeschlossen,
sollen sie von beiden Parteien gewissenhaft beobachtet werden.
>
Art. 36 [Folgen des Waffenstillstandes; Aufnahme der Kampfhandlungen]
Der Waffenstillstand unterbricht die Kriegsunternehmungen kraft eines
wechselseitigen Übereinkommens der Kriegsparteien.
Ist eine bestimmte Dauer nicht
vereinbart worden, so können die Kriegsparteien jederzeit die Feindseligkeiten
wieder aufnehmen, doch nur unter der Voraussetzung, daß der Feind, gemäß
den Bedingungen des Waffenstillstandes, rechtzeitig benachrichtigt wird.
Art. 37 [Allgemeiner und örtlicher Waffenstillstand]
Der Waffenstillstand kann ein allgemeiner oder ein örtlich begrenzter sein.
Der erstere unterbricht die Kriegsunternehmungen der kriegführenden Staaten
allenthalben, der letztere nur für bestimmte Teile der kriegsführenden Heere und
innerhalb eines bestimmten Bereichs.
Art. 38 [Bekanntmachung]
Der Waffenstillstand muß in aller Form und rechtzeitig den zuständigen
Behörden und den Truppen bekanntgemacht werden. Die Feindseligkeiten sind sofort
nach der Bekanntmachung oder zu dem festgesetzten Zeitpunkt einzustellen.
Art. 39 [Beziehungen zur Bevölkerung und zum Gegner]
Es ist Sache der abschließenden Parteien, in den Bedingungen des
Waffenstillstandes festzusetzen, welche Beziehungen etwa auf dem
Kriegsschauplatze mit der Bevölkerung und untereinander statthaft sind.
Art. 40 [Verletzung des Waffenstillstandes]
Jede schwere Verletzung des Waffenstillstandes durch eine der Parteien gibt
der anderen das Recht, ihn zu kündigen und in dringenden Fällen sogar die
Feindseligkeiten unverzüglich wieder aufzunehmen.
Art. 41 [Verletzung durch Privatpersonen]
Die Verletzung der Bedingungen des Waffenstillstandes durch Privatpersonen,
die aus eigenem Antriebe handeln, gibt nur das Recht, die Bestrafung der
Schuldigen und gegebenen Falles einen Ersatz für den erlittenen Schaden zu
fordern.
>
Art. 42 [Begriff der "Besetzung"]
Ein Gebiet gilt als besetzt, wenn es sich tatsächlich in der Gewalt des
feindlichen Heeres befindet. Die Besetzung erstreckt sich nur auf die Gebiete,
wo diese Gewalt hergestellt ist und ausgeübt werden kann.
Art. 43 [Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung].
Nachdem die gesetzmäßige Gewalt
tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von
ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche
Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und
zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der
Landesgesetze.
Art. 44 [Verbot des Auskunftszwanges].
Einem Kriegführenden ist es untersagt, die Bevölkerung eines besetzten
Gebiets zu zwingen, Auskünfte über das Heer des anderen Kriegführenden oder über
dessen Verteidigungsmittel zu geben.
Art. 45 [Verbot des Zwanges zum Treueid].
Es ist untersagt, die Bevölkerung eines besetzten Gebiets zu zwingen, der
feindlichen Macht den Treueid zu leisten.
Art. 46 [Schutz des Einzelnen und des Privateigentums].
Die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger und das
Privateigentum sowie die religiösen Überzeugungen und gottesdienstlichen
Handlungen sollen geachtet werden. Das Privateigentum darf nicht eingezogen
werden.
Art. 47 [Plünderungsverbot].
Die Plünderung ist ausdrücklich untersagt.
Art. 48 [Erhebung von Abgaben].
Erhebt der Besetzende in dem besetzten Gebiete die zugunsten des Staates
bestehenden Abgaben, Zölle und Gebühren, so soll er es möglichst nach Maßgabe
der für die Ansetzung und Verteilung geltenden Vorschriften tun; es erwächst
damit für ihn die Verpflichtung, die Kosten der Verwaltung des besetzten Gebiets
in dem Umfange zu tragen, wie die gesetzmäßige Regierung hierzu verpflichtet
war.
Art. 49 [Erhebung von anderen Auflagen].
Erhebt der Besetzende in dem besetzten Gebiet außer den im vorstehenden
Artikel bezeichneten Abgaben andere Auflagen in Geld, so darf dies nur zur
Deckung der Bedürfnisse des Heeres oder der Verwaltung dieses Gebiets geschehen.
Art. 50 [Strafen wegen Handlungen einzelner].
Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine ganze Bevölkerung wegen
der Handlungen einzelner verhängt werden, für welche die Bevölkerung nicht als
mitverantwortlich angesehen werden kann.
Art. 51 [Zwangsauflagen].
Zwangsauflagen können nur auf Grund eines schriftlichen Befehls und unter
Verantwortlichkeit eines selbständig kommandierenden Generals erhoben werden.
Die Erhebung soll so viel wie möglich nach den Vorschriften über die Ansetzung
und Verteilung der bestehenden Abgaben erfolgen. Über jede auferlegte Leistung
wird den Leistungspflichtigen eine Empfangsbestätigung erteilt.
Art. 52 [Natural- und Dienstleistungen].
Naturalleistungen und Dienstleistungen können von Gemeinden oder Einwohnern
nur für die Bedürfnisse des Besetzungsheers gefordert werden. Sie müssen im
Verhältnisse zu den Hilfsquellen des Landes stehen und solcher Art sein, daß sie
nicht für die Bevölkerung die Verpflichtung enthalten, an Kriegsunternehmungen
gegen ihr Vaterland teilzunehmen.
Derartige Natural- und Dienstleistungen können nur mit Ermächtigung des
Befehlshabers der besetzten Örtlichkeit gefordert werden.
Die Naturalleistungen sind so viel wie möglich bar zu bezahlen. Anderenfalls
sind dafür Empfangsbestätigungen auszustellen; die Zahlung der geschuldeten
Summen soll möglichst bald bewirkt werden.
Art. 53 [Sachen, die der Beschlagnahme unterliegen können].
Das ein Gebiet besetzende Heer kann nur mit Beschlag belegen: das bare Geld
und die Wertbestände des Staates sowie die dem Staate zustehenden eintreibbaren
Forderungen, die Waffenniederlagen, Beförderungsmittel, Vorratshäuser und
Lebensmittelvorräte sowie überhaupt alles bewegliche Eigentum des Staates, das
geeignet ist, den Kriegsunternehmungen zu dienen.
Alle Mittel, die zu Lande, zu Wasser und in der Luft zur Weitergabe von
Nachrichten und zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen, mit Ausnahme
der durch das Seerecht geregelten Fälle, sowie die Waffenniederlagen und
überhaupt jede Art von Kriegsvorräten können, selbst wenn sie Privatpersonen
gehören, mit Beschlag belegt werden.
Beim Friedensschlusse müssen sie aber zurückgegeben und die Entschädigungen
geregelt werden.
Art. 54 [Seekabel].
Die unterseeischen Kabel, die ein besetztes Gebiet mit einem neutralen
Gebiete verbinden, dürfen nur im Falle unbedingter Notwendigkeit mit Beschlag
belegt oder zerstört werden. Beim Friedensschlusse müssen sie gleichfalls
zurückgegeben und die Entschädigungen geregelt werden.
Art. 55 [Besetzerstaat als Verwalter und Nutznießer].
Der besetzende Staat hat sich nur als Verwalter und Nutznießer der
öffentlichen Gebäude, Liegenschaften, Wälder und landwirtschaftlichen Betriebe
zu betrachten, die dem feindlichen Staate gehören und sich in dem besetzten
Gebiete befinden. Er soll den Bestand dieser Güter erhalten und sie nach den
Regeln des Nießbrauchs verwalten.
Art. 56 [Gemeindeeigentum; öffentliche Anstalten].
Das Eigentum der Gemeinden und der dem Gottesdienste, der Wohltätigkeit, dem
Unterrichte, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Anstalten, auch wenn
diese dem Staate gehören, ist als Privateigentum zu behandeln.
Jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von
derartigen Anlagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und
Wissenschaft ist untersagt und soll geahndet werden.
>